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Manga - was ist das?

Der Ausdruck "Manga", eingeführt von dem Karikaturisten Katsushika Hokusai (1760-1849), bedeutet wörtlich genommen "lächerliches Bild". Die "Mangas" von Hokusai waren Drucke, die bekannte Persönlichkeiten jener Zeit in komischen Situationen zeigten. Mit ihrer Art der Darstellung und ihrem eigenen Stil, verbunden mit einer gewissen Frechheit, wurden sie die Geburtshelfer einer ganz neuen Form der grafischen Erzählung, die genau so bedeutend werden sollte wie die Comics in den USA oder die der franko-belgischen Schule in Europa. In Japan bezeichnet "Manga" die Comic Strips im Allgemeinen, im Westen ist der Begriff unauflöslich mit dem Land der aufgehenden Sonne verbunden.

Nichts desto trotz (Autoren wie Scott Mc Cloud - "Comics richtig lesen" - haben das hervor gehoben) dürfen uns die Regeln und Besonderheiten der Mangas den Blick für eines nicht verstellen: Mangas sind auch bloß Comics. Aber gerade sie haben eine Menge anderer Künstler beeinflusst: James Cameron ("Alien"), Christope Gans ("Pakt der Wölfe"), Luc Besson ("Das fünfte Element"), die Wachowsky - Brüder ("Matrix") sowie eine große Anzahl Autoren der Comic Szene, ob franko-belgisch oder nicht, darunter auch den großen Moebius. Ein ganze Generation von Künstlern tritt hervor, die ihre Fantasie mit den "neuen" Bildern aus Asien angeregt haben...

Schon durch ihre Schrift, die ja ihrerseits von den chinesischen Schriftzeichen herstammt ist, haben die Japaner vom ersten Schreibunterricht an eine enge Beziehung zum Zeichnen.

Mehr als andere haben die Japaner begriffen, welche Kraft in einer klaren geometrischen Aufteilung steckt, und diese dann auch konsequent angewandt: Es gibt nur den rohen Strich, nichts als die nüchterne Linie, keine Schnörkel, die das Verständnis beeinträchtigen könnten. Wir rühmen uns unseres riesigen kulturellen und zeichnerischen Erbes. Aber die Japaner haben genau so eine reiche Bild-Tradition hervorgebracht. Diese ist im Westen weitgehend unbekannt geblieben, aber man kennt die Drucke, die für van Gogh eine Quelle der Inspiration gewesen sind, sogenannte "e-makimono", große bemalte Rollen, die ausgerollt ganze Geschichten erzählen (Abenteuer, Kriege, Erzählungen). Die e-makimono können damit als Urmuster des Manga betrachtet werden - und zwar schon im 9. Jahrhundert.

Ein Manga bündelt vor allem die Emotionen: Um an sein Ziel zu kommen, nutzt er diverse künstlerische Hilfsmittel, die berühmten speed lines zum Beispiel, die den Leser in die Handlung ziehen, einen unverändert wiederholten Ausschnitt usw. Aber immer stehen die Personen im Zentrum des Geschehens und erleichtern dem Leser die Identifikation. Während bei uns das Drumherum oft eine erzählerische Funktion hat, steht in Japan immer der Mensch im Vordergrund. Auch die Augen (an deren Größe der ungeübte Betrachter sich erst gewöhnen muss, auch wenn sie letzendlich auf Disney-Einflüsse zurück geht) spielen eine sehr wichtige Rolle: Jeder weiß, dass der Blick "der Spiegel der Seele" ist, dass unsere Gefühle durch die Augen ausgedrückt werden. Die "Mangaka" (also Manga-Zeichner) haben das verstanden und sehen gar nicht ein, warum sie auf ihre Darstellung als Wirkungsmittel verzichten sollten.

In Europa hat es lange gedauert, bis der Manga als ebenbürtige Alternative zur westlichen Idee eines Comic Strips akzeptiert wurde. Es gab einige fest verwurzelte Vorurteile zu überwinden: Gewalt, Sexualität (die als pervers verunglimpft wurde), die Erzählungen selbst (angeblich verlogen und albern) ... und genau so negativ fiel das Urteil über die Zeichnungen aus. Ein wichtiges Argument in einem Land, das sich als das Herz der Comic-Kultur begreift, obwohl diese nirgends so ein Massenphänomen ist wie in Japan. Menschen aller Altersstufen, alle sozialen Schichten lesen dort Mangas - ähnlich wie es sich bei uns mit den Fernsehserien verhält.

Wo zieht man die Grenze zwischen einem selbst ernannten Künstlern und einem einfachen Kunsthandwerkern? Sie ist nicht so scharf zu ziehen, wie man vielleicht denken könnte... Und wie soll man unterscheiden zwischen den Glasperlen, dem Modeschmuck und den wirklichen Kostbarkeiten?

Selbstverständlich stellt der Manga, von dem jährlich hunderte neuer Alben erscheinen, ein Universum für sich dar, das viel zu groß ist, als dass man es mal eben kurz zusammenfassen könnte. In Frankreich kann man Comics gut in "Schubladen" einordnen (Humor, Fantasy oder SF, Drama, Krimi, Erotik), in Japan dagegen sind alle Themen erlaubt: es gibt Mangas über das Golfen wie über das Kochen, über eine Sake-Fabrik, über eine berühmte Gestalt aus der französischen Geschichte, einen Go-Spieler, ein politisches Komplott, das tägliche Elend eines Handlungsreisenden, die Gefühle einer Gymnasiastin, über einen Meister im Reiten, den Beginn einer Liebesgeschichte zwischen einer Nonne und einem Boxer usw. usf. Fantasy, Traum, auch Albtraum, Philosopie... der Manga macht aus dem einzig richtigen Gesichtspunkt eine Unzahl möglicher Gesichtspunkte. Aber er verliert nie seine Ernsthaftigkeit und nie die Begeisterung, die gerade seine besseren Autoren charakterisiert.

Die japanische Comic-Kunst, so hat man dieser Tage erfahren, verdankt alles einem außerordentlichen Künstler: Osamu Tezuka. Er wurde 1928 geboren und ist der Vater solcher Berühmtheiten wie Astro Boy, König Leo oder Black Jack. Er wurde von seinen Zeitgenossen fast wie ein Gott verehrt, und das ging so weit, dass an seinem Todestag Staatstrauer ausgerufen wurde. So einen Personenkult hat in Europa nicht einmal Hergé erlebt.